
Nach einem Tag Anreise und einem Tag Käffer-KungFu standen nun endlich vernünftige Pässe auf der Tagesordnung. Tatsächlich stellte sich heraus, das dieser Tag der wohl abwechslungsreichste unserer Tour werden sollte, und das in der Tat unerwarteterweis.
Nach gutem Frühstück (nicht sowas wie in der Schweiz), der üblichen Bike-Bepackungsaktion und Snack-Besorgung im Casino vor Ort, ging es los.

Wir fuhren die letzten Meter der
Colombière-Südrampe nach
St. Jean de Sixt, weiter nach
la Clusaz und von dort über die kahlen Höhen des
Col des Aravis. Nicht zu breite Straße, wenige Dörfer, viele Kurven, keine gesperrten Strecken, der Tag fing schonmal gut an.
Etwas unangenehm war lediglich, das uns bei wolkenfreiem Himmel die tiefstehende Morgensonne direkt ins Gesicht schien und die Sicht nahm, aber da mussten wir halt durch.
Hinter dem
Aravis bogen wir im Ort
Flumet auf die Nationalstraße N212 ab. Eigentlich lag mit dem
Col des Saisies noch ein weiterer Pass direkt südlich, aber unser ausgemachtes Ziel war die
Verdon-Schlucht. Wir hatten besonders am Vortag so wenig Strecke geschafft, das uns zu dem Zeitpunkt unklar war, ob wir es überhaupt bis zur Schlucht schaffen würden. Uns standen nur begrenzt Tage zur Verfügung, also mussten wir uns sputen. Daher nahmen wir von
Flumet nach
Albertville die Schnellstraße, um schön Strecke zu machen und möglichst fix unser nächstes Etappenziel zu erreichen.

Und das nächste Ziel war dann keine Geringere als die
Madeleine. Mehrere andere Biker berichteten mir persönlich oder in Internetforen, das diese Passstraße genial zu fahren wäre, daher war ich richtig heiß drauf.
Auf der autobahnähnlichen Nationalstraße N90 ist der
Col de la Madeleine bereits ausgeschildet. Zu Anfang der Nordrampe muss man sich entscheiden, ob man noch einen Umweg über
Pussy machen will. Wir hatten aber beide Druck, wollten schnell über die
Madeleine rübber.

Und die Nordrampe hat es wirklich in sich. Es gibt zwar nicht viele Kehren, aber man schlängelt sich durch hunderte Kurven die Schlucht hinauf. Oft sind es nur kleine seitliche Dellen im geradlinigen Straßenverlauf, aber gerade diese machten die Auffahrt zum Vergnügen.
"Ich war eins mit meinem Motorrad" wäre natürlich vollkommenen übertriebener Humbug, aber das erste Mal klebte ich so gut im Sattel zwischen Tank und Packtasche, das ich eigntlich nur Hände und Füße zu bewegen hatte. Schalten, kuppeln, bremsen, Gasoline geben, und mit dem Körper leicht in die Kurven manövrieren, mehr war nicht nötig, eine Fahrt so bequem wie Opas Ohrensessel. Größtenteils verwendete ich nur die Gänge zwei und drei. Hinter jeder Biegung dachte ich, die Passhöhe müsste wohl bald erreicht sein, aber weit gefehlt, es ging lange so schön weiter wie eben beschrieben.

Irgendwann kam dann aber doch das Unvermeidliche, das Ende der Nordrampe und sogleich auch die Passhöhe. Dort haben wir kurz eine Pause eingelegt um das Motorradfahrer-Paradies kurz zu verdauen, danach ging es wieder bergab.
Die Südrampe war leider nicht so interessant. Auch schön zu fahren, aber halt nicht das Kaliber wie ihr nördliches Gegenstück.
Im Taldorf
la Chambre hatten wir ein paar Schwierigkeiten, erstens die Auffahrt zum
Col du Glandon(i) und zweitens eine Tankstelle zu finden. Meine XT hat sich auf der
Madeleine ganz schön verausgabt und ist mit fast leerem Tank im Tal angekommen. Über den einen weiteren Pass wären wir nicht mehr gekommen. Nach etwas Sucher- und Fragerei fanden wir schließlich für Beides eine Lösung, wir müssten nur aus
la Chambre weiter nach Süden in Richtung Autobahn fahren, dort war kurz nach dem Hinweisschild in Sachen
Glandon(i) eine Tanke zu finden.

Und der
Col du Glandon(i) mach aus fahrerischer Sicht eigentlich da weiter, wo der
Col de Madeleine aufgehört hat, auch wenn er nicht so schluchtig und bewaldet ist. Natürlich nur ein subjektiver Eindruck, vielleicht hatte ich noch immer die tolle, madelein'sche Nordrampe im Kopf. Ein Passhöhen-Selbstportrait und weiter gings.

Auf der Südrampe fährt man an zwei Seen vorbei. Der Zweite davon, der
Lac du Verney, wird auf einer Brücke überquert.
Das Wetter spielte zwar nicht ganz mit, aber da es fast windstill war, spiegelte sich einer der weit entfernten Berge auf der Seeoberfläche. Und schon wieder musste ich für ein paar Fotos anhalten.
Auf der N91 ging es dann nach
Paute, nahe
le Bourg d'Oisans gelegen. Nicht weit davon entfernt befindet sich
l'Alpe d'Huez, dem ein- oder anderen aus diversen Tour de France Übertragungen bekannt. Im Nachhinein wurmt mich unser Zeitdruck schon etwas, denn diese Strecke, unter anderem über den
Col de Sarenne hätte ich doch gerne gesehen. Allerdings wären das wieder 60 oder mehr Kilometer Umweg gewesen.

Somit führen wir von
Paute direkt in Richtung
Col d'Ornon(i). Auf dessen Passhöhe entschieden wir, das wir eine kleine Abkürzung nehmen, und nicht bis hinunter in den Talort
la Mure fahren wollten. Noch vor
Valbonnais, das in der Mitte der Südrampe liegt, bogen wir links auf eines der kleineren Sträßchen ab.

Mehr per Zufall haben wir dann die D212f erwischt, die sich als süße kleine Passstraße herausstellte. Es ging über den
Col de Parquetout(i), der die meiste Zeit auf sehr hubbeliger schmaler Straße mit toller Aussicht in die Höhe führt. Der Pass ist in Michelin-Karten namentlich nicht verzeichnet, lediglich das Zeichen für einen Pass und eine Höhenangabe sind zu finden.

Anschließend fuhren wir über den
Col de l'Holme(i), der fast über dieselbe Straße mit denselben Eigenschaften wieder ins Tal führt. Um wieder etwas Strecke zu machen, nahmen wir die gut ausgebaute aber nett zu fahrende Hauptstraße hinauf Richtung
Col Bayard. Auch an diesem wollten wir nicht bis ins Tal fahren, denn dort wartete die Kleinstadt
Gap auf uns, und schon ein paar Stunden zuvor in
Albertville haben wir uns mit dem Stadtverkehr nicht gut verstanden.
Daher bogen wir noch vor der
Bayard-Passhöhe nach Südosten auf die D14 ab, von der aus wir einen Blick auf
Gap und die dicht bebaute Umgebung werfen konnten.

Im Tal nahe
Chorges angekommen, ging es nach Süden über den
Col Lebraut(i). Er führt westlich am
Lac de Serre-Poncon vorbei, der lange Zeit links der Straße gesehen werden kann. Mal liegt er hinter Büschen versteckt, Mal bestens sichtbar vor einem, auf jedenfall ein sehr fotogenes Motiv, das allerdings auch ein wenig vom herrschenden Wetter abhängig ist. Auf der Südrampe fährt man an einer massiven Staumauer vorbei nach
Les Celliers.
Damit war der erste hochinteressante Teil des Tages gegessen. Kurvige Passstraßen, mehrere große und kleine Seen lagen hinter uns, weiter südlich sollte es sehr felsig und schluchtig werden.